10. Dezember 2019
Am 11. Dezember 1994
rollten die ersten russischen Panzer nach Tschetschenien. Die
Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes waren der Führung in Moskau ein Dorn im
Auge. Der Sturm auf die tschetschenische Hauptstadt Grosny und zwei kurz
aufeinander folgende Kriege haben tiefe Wunden geschlagen.
„Onkel, Onkel! Hilf,
ich zeig dir den Weg! Wohnung 22. Onkel, da liegt mein Opa!“
Fernsehbilder der
BBC vom Dezember 1994. Seit Tagen bombardiert die russische Armee Grosny, die
Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien. Flammen versengen einen
leblosen Körper am Boden, Autos brennen, schwarzer Qualm steigt auf. Der kleine
Junge steht verzweifelt zwischen den Wracks. BBC-Reporter Robert Parsons
berichtet direkt aus dem Kriegsgebiet.
„Wo ich stehe,
wurden mindestens zwei Menschen getötet, unschuldige Passanten. Viele wurden
verwundet. Die russische Regierung behauptet, strategische Ziele anzugreifen,
aber vor Ort sieht es ganz anders aus.“
Tschetschenien – Leben in der Diktatur
Zwei Kriege legten Grosny in den 90er- und 2000er-Jahren in Schutt und Asche. Republikchef Ramsan Kadyrow hat die Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien mit Subventionen aus Moskau wieder aufgebaut – und auch den Terror einigermaßen in den Griff bekommen. Allerdings mit diktatorischen Methoden. Für Andersdenkende oder gar Menschenrechtler ist in Grosny kein Platz.
Zwei Kriege legten Grosny in den 90er- und 2000er-Jahren in Schutt und Asche. Republikchef Ramsan Kadyrow hat die Hauptstadt der russischen Teilrepublik Tschetschenien mit Subventionen aus Moskau wieder aufgebaut – und auch den Terror einigermaßen in den Griff bekommen. Allerdings mit diktatorischen Methoden. Für Andersdenkende oder gar Menschenrechtler ist in Grosny kein Platz.
Der Konflikt
zwischen der Nordkaukasusrepublik Tschetschenien und der Zentralmacht in Moskau
hatte sich seit dem Beginn der 1990er-Jahre zugespitzt. Damals brach die
Sowjetunion auseinander und ehemalige Sowjetrepubliken wie Georgien, Kasachstan
oder die Ukraine erklärten sich für unabhängig. Tschetschenien war zu
Sowjetzeiten – gemeinsam mit dem Nachbargebiet Inguschetien – ein autonomes
Gebilde innerhalb der Russischen Sowjetrepublik.
Ende 1991 wählten
die Tschetschenen einen eigenen Präsidenten, Dschochar Dudajew, und riefen eine
unabhängige Republik „Itschkerien“ aus. Die Führung in Moskau erkannte das
nicht an, aber sie begann zu verhandeln. Die Russin Jekaterina Sokirjanskaja
beschäftigt sich seit rund 15 Jahren mit dem Nordkaukasus. Sie leitet das
Zentrum für Konfliktanalyse und Prävention in Rußland.
Wurzeln des
Konflikts liegen in der Stalinzeit
„Was kaum jemand
weiß: Das waren mit die längsten Verhandlungen über Separationsfragen im
postsowjetischen Raum. Sie liefen fast drei Jahre.“
Um die
Unabhängigkeitsbestrebungen der Tschetschenen zu verstehen, muß man
zurückblicken in die Stalinzeit. Der sowjetische Diktator ließ am Ende des
Zweiten Weltkriegs hunderttausende Tschetschenen nach Zentralasien deportieren.
Der Vorwurf: Sie hätten mit den Deutschen kollaboriert. Manchen Schätzungen
zufolge kam damals etwa ein Viertel der Tschetschenen ums Leben. 1957 durften
die Überlebenden nach Tschetschenien zurückkehren. Erst als die Sowjetunion
auseinanderbrach, konnte öffentlich über die Verbannung gesprochen werden.
Als der Erste
Tschetschenienkrieg begann, war die Soziologin Lidia* Anfang 30 und
unterrichtete an der Pädagogischen Universität in Grosny.
„Ich bin damals oft
zu Kundgebungen gegangen. Dort erinnerten Dichter und Schriftsteller an das
Drama der Verbannung; sie beklagten, daß die tschetschenische Intelligenz zu
Sowjetzeiten nicht an den Technischen Hochschulen zugelassen wurde. Ein
Tschetschene durfte nicht Rektor sein, konnte nicht Parteivorsitzender sein.
Das war wirklich so. All das hatte sich aufgestaut.“
Der Präsident Dschochar
Dudajew war ein guter Verhandler. Aus seinem Umfeld heißt es, man sei sich mit
der Regierung in Moskau in fast allen Punkten einig geworden. Doch plötzlich
wurden die Verhandlungen abgebrochen. Rußlands Präsident Boris Jelzin entschied
sich für einen Militäreinsatz. Er tat dies, um von anderen Problemen
abzulenken, sagt die Nordkaukasus-Expertin Sokirjanskaja. Am 11. Dezember 1994
rollten erste Panzer nach Tschetschenien.
Die Regierung in
Moskau sprach von einem „Polizeieinsatz zur Wiederherstellung der
verfassungsmäßigen Ordnung“.
Silvester 1994 war
der Krieg wenige Wochen alt. Das Fernsehen sendete die Neujahrsansprache von
Präsident Boris Jelzin:
„Für mich gibt es
keine wichtigere Aufgabe im kommenden Jahr als Frieden und normales Leben in
Tschetschenien, Nordossetien und Inguschetien wieder herzustellen.“
Am selben Tag
begannen die föderalen Kräfte mit dem Sturm auf die tschetschenische Hauptstadt
Grosny.
Die
Wissenschaftlerin war über die Feiertage mit ihrer Familie aufs Land gefahren.
„Wir waren 40
Kilometer von Grosny entfernt. Wir haben das Geschützfeuer, das Grollen,
gehört, und wir konnten nicht begreifen, ob das ein Gewitter war oder nicht?
Als wir morgens zurück in die Stadt kamen, bot sich uns ein Bild wie aus einem
Horrorfilm. Überall lagen Leichen. Sie trieben auch im Fluß Sunscha. Besonders
ein Bild hat sich mir ins Gedächtnis eingebrannt. Da lag ein Fuß herum. Es war
offenbar der Fuß eines Mannes, denn es war ein Männerschuh daran.“
Russland betrachtete
den Krieg als innere Angelegenheit
Der Kampf um Grosny
dauerte mehrere Tage. Wach-Hadsch Issajew hatte sich damals mit anderen
tschetschenischen Kämpfern in einem Regierungsgebäude verschanzt. Heute lebt er
in Westeuropa.
„Wir haben
eingesalzene Tomaten gegessen und waren sehr durstig, hatten aber kein
Trinkwasser. Deshalb ging ich mit einem Kameraden Wasser holen. Wir sind durch
ein Fenster hinausgekrochen. Der Fluß Sunscha war in der Nähe. Als wir dort
hinliefen, hörte ich das Flugzeug. Während wir uns Wasser nahmen, warf es mich
in den Fluß. Das Gebäude war getroffen. Von unseren Leuten hat es fast alle
erwischt.“
Der Krieg gegen die
eigene Bevölkerung belastete das Verhältnis Rußlands zum westlichen Ausland.
Boris Jelzin hatte die Auflösung der Sowjetunion mit vorangetrieben und durch
sein entschiedenes Auftreten beim August-Putsch 1991 in Moskau verhindert, daß
alte Sowjetkader die Macht wieder übernahmen. Westliche Regierungen
unterstützten ihn. Nun aber bestimmten Kriegsbilder die Nachrichten aus Rußland.
Die EU stornierte
ein bereits unterzeichnetes Partnerschaftsabkommen mit Rußland. Sie forderte
Rußland auf, die Kämpfe einzustellen, verurteilte die
Menschenrechtsverletzungen und verlangte von der russischen Regierung,
OSZE-Experten ins Kriegsgebiet zu lassen.
Training für die
Sicherheitskräfte
Die russische
Führung hingegen betrachtete den Tschetschenienkrieg als innere Angelegenheit.
In den ersten Wochen stockte Jelzin die Truppen von anfangs offiziell gut
20.000 auf offiziell 70.000 Mann auf. Darunter waren nicht nur Soldaten. Auch
das Innenministerium war beteiligt, mit einfachen Milizionären und Kämpfern der
Eliteeinheiten OMON und SOBR. Dazu schickte der Inlandsgeheimdienst Truppen.
Die Verantwortlichen sahen den Tschetschenienkrieg als willkommenes Training
für ihre eigenen Leute, sagt Alexander Scharkowskij, Militärexperte der
Nesavissimaja Gaseta in Moskau.
„Die Führungen des
Innenministeriums, des Verteidigungsministeriums und des Geheimdienstes
wollten, daß so viele ihrer Leute wie möglich im Tschetschenienkrieg unter
Beschuß gerieten, damit sie Kampferfahrung bekommen.“
Trotz der Übermacht
erlitten die russischen Truppen eine Niederlage nach der anderen. Die Verluste
waren enorm. Genaue Zahlen gibt es bis heute nicht.
Fehden zwischen den
Ressorts
Die russische Armee
war damals eigentlich nicht in der Lage, einen Krieg zu führen, so schlecht war
ihr Zustand nach dem Ende der Sowjetunion. Das betraf nicht nur die Ausrüstung.
Moskau schickte sogar Wehrpflichtige in den Kampf – Kanonenfutter. Moskaus
Truppen seien aber vor allem schlecht organisiert gewesen, sagt der
Militärexperte Scharkowskij.
„Die Kommandeure
waren sich nicht einig. Die Fehden zwischen den einzelnen Ressorts störten beim
Kampf. Zum Beispiel war im Ersten Tschetschenienkrieg ein Batallion der
Marineinfanterie am Sturm auf Grosny beteiligt. Einem der Kommandeure der
Marineinfanterie kam es in den Kopf, ein feindliches Minenfeld freizusprengen.
Die abgefeuerten Granaten landeten genau auf der Position der Dserschinskij
Division des Innenministeriums. Nach der Explosion waren mehr als 70 Mann tot.“
Angesichts des
Sterbens beschlossen Soldatenmütter, etwas zu unternehmen. Im März 1995
marschierten sie zu Fuß nach Grosny. Eine von ihnen war die Moskauerin Anna
Pljassetskaja, damals 50 Jahre alt.
Der erste Krieg
endete 1996
„Dabei waren
Buddhisten, Christen mit Ikonen in den Händen und tschetschenische Frauen. Es
war eine sehr lange Kolonne mit Plakaten und Transparenten. Wir hofften
natürlich, den Krieg stoppen zu können. Die größte Schuld an diesem Krieg trägt
Jelzin. Wir haben ihn auch so genannt: Den „blutigen Jelzin“.
Pljassetskaja hatte
wenige Wochen zuvor ihren Sohn Nikolaj in Tschetschenien verloren. Er starb
beim Sturm auf Grosny, im Alter von 19 Jahren, ein Wehrpflichtiger. Das
Verteidigungsministerium weigerte sich, seinen Leichnam nach Moskau zu
schicken, behauptete seiner Mutter gegenüber, Nikolaj sei verschollen. Pljassetskaja
machte sich selbst auf die Suche, erst in Tschetschenien, dann in Rostow am Don
in Südrußland, wohin die Toten gebracht wurden.
„Es waren sechs
Waggons, in jedem lagen etwa 50 Körper. Und dann gab es noch eine Zeltstadt
beim Hospital. Dort standen auch noch etwa sechs Zelte mit Leichnamen.“
Nikolaj war nicht
darunter, aber er war auch nicht verschollen. Das Verteidigungsministerium
hatte ihn verwechselt und seinen Leichnam weit in den Osten Rußlands, in die
Altai-Region, geschickt. Dort hatten ihn fremde Leute beigesetzt. Pljassetskaja
erfuhr das nur durch Zufall. Der Fall war symptomatisch für den Umgang der
russischen Armee mit ihren Wehrpflichtigen.
Während die
russischen Soldaten oft unfreiwillig kämpften, waren die tschetschenischen
Rebellen hochmotiviert und äußerst beweglich. Der ehemalige Kämpfer Wach-Hadsch
Issajew schildert es so:
„Jedes Haus stand
dir offen, um zu essen, zu schlafen, dich auszuruhen. Rußland hatte damals noch
keinen großen Einfluß in Tschetschenien. Die übergroße Mehrheit der
Tschetschenen war für die Unabhängigkeit. Wir waren geeint. Deshalb gab es für
uns nur eines: Voran!“
Der Erste
Tschetschenienkrieg endete nach fast zwei Jahren am 31. August 1996 mit dem
Friedensschluß von Chassawjurt. Auf tschetschenischer Seite unterzeichnete ihn
Aslan Maschadow. Der gemäßigte Feldkommandeur war Stabschef der
tschetschenischen Armee. Der tschetschenische Präsident Dschochar Dudajew war
bei einem gezielten Raketenangriff der Russen getötet worden.
Die Frage des Status
Tschetscheniens wurde vertagt. Für Präsident Jelzin war das eine Niederlage.
Den Menschen in
Tschetschenien brachte der Friedensschluß keinen Frieden. Entführungen und
Morde waren an der Tagesordnung. Den Tschetschenen gelang es nicht, einen
funktionierenden Staat aufzubauen, sagt die Nordkaukasus-Expertin Jekaterina
Sokirjanskaja:
„Ein Staat ist mehr
als Ideologie. Man muß eine Bürokratie aufbauen, funktionierende Institutionen,
die Wirtschaft. Es ist Routinearbeit. In all dem hatten die Tschetschenen keine
Erfahrung, denn sie hatten zu Sowjetzeiten keine Führungspositionen inne.“
Beten aus Todesangst
Dazu kam eine
fortschreitende islamistische Radikalisierung. Die Tschetschenen sind Muslime.
Im ersten Krieg hatte Religion noch keine Rolle gespielt. Viele Tschetschenen
hätten nicht einmal gewußt, wie man richtig betet, erzählt Sokirjanskaja.
„Die Menschen haben
mir in Interviews erzählt, daß sie in den Kellern aus Todesangst angefangen
haben zu beten.
Und dann kamen
äußere Faktoren dazu, radikale Kämpfer aus dem Ausland. Nach dem ersten Krieg
haben sie Ausbildungslager eingerichtet. Dort wurden tausend Leute gleichzeitig
der sehr radikalen islamistischen Ideologie ausgesetzt und lernten, Minen zu
legen und zu räumen und Sprengsätze zu bauen.“
Radikale Islamisten
begannen, den traditionellen tschetschenischen Islam, den Sufismus, zu
verdrängten. Der gemäßigte Aslan Maschadow, zwischen den Kriegen zum
Präsidenten gewählt, hatte nicht die Autorität, das zu verhindern. Radikale
Feldkommandeure wie Schamil Bassajew sammelten Anhänger.
„Es begann ein
Wettkampf darum, wer der bessere Moslem ist. All das führte leider dazu, daß
1999 die Verfassung Tschetscheniens in Richtung Scharia geändert wurde.“
Alles innerhalb des
russischen Rechtsraums.
Erneuter Einmarsch
in Tschetschenien
Im selben Jahr fiel
der radikale tschetschenische Feldkommandeur Bassajew mit mehreren tausend Mann
in der Nachbarrepublik Dagestan ein. Es gibt Hinweise darauf, daß er dafür von
russischer Seite bezahlt wurde: Von Kräften, die einen erneuten Krieg in
Tschetschenien wollten. Moskau reagierte mit Luftangriffen auf den Überfall.
Wenige Wochen später kam es in Moskau und anderen russischen Städten zu einer
Serie von Anschlägen auf Wohnhäuser. Dabei starben rund 300 Menschen. Zu diesem
Zeitpunkt war bereits Wladimir Putin Premierminister Rußlands. Wenige Monate
später sollte er Boris Jelzin an der Staatsspitze beerben. Putin machte
Tschetschenen für die Anschläge verantwortlich und kündigte an, sie mit aller
Härte zu bekämpfen.
„Wir werden die
Terroristen überall verfolgen. Wenn sie, Entschuldigung, auf der Toilette sind,
werden wir sie auf dem Klosett kaltmachen.“
In Rußland kamen
solche markigen Worte gut an, Putins Popularität stieg. Bis heute halten sich
Gerüchte, der russische Geheimdienst habe diese Explosionen organisiert, um Rußland
einen Vorwand für einen erneuten Feldzug gegen Tschetschenien zu liefern. Dazu
Jekaterina Sokirjanskaja:
„Ich weiß nicht. Wir
werden das wohl nie erfahren. Ich mag keine Verschwörungstheorien, aber
bestimmte Sachen kann man auch nicht ausschließen.“
Im Herbst 1999
marschierte die russische Armee erneut in Tschetschenien ein. Der zweite Krieg
begann. Offiziell wurde er Antiterroraktion genannt.
Zweiter Krieg ab
1999
Auf
tschetschenischer Seite kämpften nun radikale Islamisten, unterstützt von
ausländischen selbsternannten Gotteskriegern. Ihre Radikalität war zugleich
ihre Schwäche. Denn nicht alle Tschetschenen unterstützten die radikalen
Islamisten, die immer öfter auch Selbstmordattentate begingen. Der Widerstand
gegen den radikalen Islamismus wuchs.
Die russischen
Kräfte ihrerseits gingen im Zweiten Tschetschenienkrieg entschiedener vor als
im Ersten, sagt der Militärexperte Alexander Scharkowskij:
„Die Artillerie
wurde massiver eingesetzt, ebenso die Luftwaffe mit ihren Jagd- und
Kampfbombern.“
Der russische
Geheimdienst verhinderte, daß Journalisten in dem Ausmaß wie im ersten
Tschetschenienkrieg aus dem Kriegsgebiet berichteten. Ausländische Reporter
reisten allenfalls inkognito nach Tschetschenien und liefen zusätzlich Gefahr,
von tschetschenischen Islamisten entführt zu werden. Angesichts fehlender
Öffentlichkeit wuchs die Willkür. Tschetschenen berichteten von Folter und von
Verbrechen an der Zivilbevölkerung.
Der Zweite
Tschetschenienkrieg dauerte offiziell bis 2009. In seinem Verlauf gelang es Rußland,
einen moskautreuen Vasallen als Republikchef zu installieren: Den ehemaligen
Mufti Tschetscheniens, Achmat Kadyrow. Anfang der 1990er-Jahre hatte er noch
zum „Heiligen Krieg“ gegen Rußland aufgerufen, später dann die Seite
gewechselt. 2004 kam er bei einem Anschlag ums Leben.
Regierung Kadyrow
Danach baute die
russische Regierung seinen Sohn Ramsan Kadyrow zum Chef der Republik auf.
Kadyrow betont stets seine Loyalität zu Rußlands Präsident Putin, wie hier bei
Radio Swoboda.
„Putin ist mein
Idol. Ich liebe ihn. Ich achte ihn. Ich gebe mein Leben für ihn. Ich hätte
gern, dass er sein Leben lang Präsident Rußlands ist.“
Ramsan Kadyrow
regiert diktatorisch. Ihm ist es gelungen, den bewaffneten Untergrund mit
äußerster Gewalt zurückzudrängen. Unter dem Deckmantel des Antiterrorkampfes
geht er aber auch gegen friedliche Oppositionelle vor.
In Tschetschenien
erinnert heute nur wenig an den Krieg. Die Stadt Grosny ist wieder aufgebaut, mit
Hochhäusern und einer prächtigen Moschee im Stadtzentrum. Die Republik erhält
jährlich Hunderte Millionen Euro Finanzhilfen aus dem russischen
Staatshaushalt. Doch im Bewußtsein der Menschen sei der Krieg allgegenwärtig,
meint die Soziologie-Professorin Lidia.
„Meine Studenten
haben die klaffenden Wunden des Krieges erlebt. So etwas kann man nicht aus dem
Gedächtnis löschen. Eine andere Frage ist, wie der Krieg offiziell
interpretiert wird. Es heißt, es seien Salafisten aus dem Ausland gekommen. Sie
hätten die Gesellschaft mit ihrer Ideologie infiziert und für Zwist gesorgt.“
Darüber, daß sogar
Mitglieder der heutigen Machtelite im Ersten Tschetschenienkrieg zum Kampf
gegen Rußland aufriefen, wird offiziell nicht gesprochen.
Kritik an Kadyrow
und der russischen Regierung bleibt Tschetschenen im Exil vorbehalten.
Zehntausende sind während der Kriege und danach nach Westeuropa geflohen. Doch
selbst hier wurden Kritiker des Kreml bedroht und ermordet, Anhänger eines
unabhängigen Tschetschenien eingeschüchtert. Die Nordkaukasus-Expertin
Sokirjanskaja stellt fest:
„Die Traumata des
Krieges sind immer noch nicht überwunden. Der Konflikt wurde nicht gelöst. Es
gab keine Aussöhnung. Sie hat nicht mal begonnen. In den Köpfen ist der Krieg
noch nicht beendet.“
* Anmerkung der
Redaktion: Nachname ist der Redaktion bekannt.
Gesine Dornblüth