12. Mai 2014
Die Ukraine-Krise
eskaliert, dennoch reisen deutsche Topmanager nach Rußland. E.on, Metro, BASF,
Daimler - sie alle werden beim St. Petersburger Wirtschaftsforum vertreten
sein. Und wohl dem Patron der Konferenz applaudieren: Wladimir Putin.
Einmal im Jahr läßt sich
Wladimir Putin öffentlich Beifall von den ganz Großen der Welt zollen. In Sankt
Petersburg, seiner Heimatstadt. Die Bühne dafür hat sich Rußlands starker Mann
selbst geschaffen: das Sankt Petersburger Internationale Wirtschaftsforum vom
22. bis 24. Mai 2014. Aus einer bescheidenen regionalen Konferenz hat Putin ein
Stelldichein der globalen Entscheider aus Industrie und Politik gemacht. Die
"russische Antwort" auf das Davoser Weltwirtschaftsforum, wie es der
Kreml gerne tituliert.
2013 kam sogar Angela
Merkel nach St. Petersburg. Doch zur 18. Auflage in der kommenden Woche werden
wohl keine westlichen Spitzenpolitiker anreisen: Die Ukraine-Krise, die immer
mehr zum Bürgerkrieg eskaliert, läßt einen Auftritt diplomatisch nicht
angeraten erscheinen. Reihenweise haben auch internationale Topmanager in den
vergangenen Tagen den hochpolitischen Termin abgesagt. Aber einige
hartgesottene deutsche Wirtschaftsgrößen wollen Putin dennoch ihre Aufwartung
machen.
E.on-Chef Johannes
Teyssen, Metro-CEO Olaf Koch oder der Öl- und Gasvorstand von BASF, Harald
Schwager - sie alle kommen nach St. Petersburg, wie SPIEGEL ONLINE auf Anfrage
von den Unternehmen erfuhr. Auf der Liste der Teilnehmer stehen auch Hubertus
von Grünberg, der deutsche Verwaltungsratschef des Schweizer
Elektronik-Konzerns ABB, Hans-Paul Bürkner, der deutsche Chairman der Boston
Consulting Group, der ehemalige Post-Chef Klaus Zumwinkel sowie Mario Mehren,
Russland-Vorstand des Gasversorgers Wintershall, und Klaus Mangold,
Aufsichtsratsvorsitzender bei TUI und ehemaliger Vorsitzender des
Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.
Das Weiße Haus rät von der
Teilnahme ab
Die US-Regierung sieht das
anders. Es wäre "eine unangemessene Botschaft, wenn die wichtigsten
Geschäftsleute nach Russland reisen, um bei solchen Ereignissen hochkarätige
Auftritte mit russischen Regierungsvertretern zu haben", sagte eine
Sprecherin des Weißen Hauses. Die CEOs von Goldman Sachs, PepsiCo, Morgan
Stanley, ConocoPhillips und auch Klaus Kleinfeld, der deutsche Chef von Alcoa -
sie alle haben zurückgezogen. Laut eines Berichts der "New York
Times" hat Präsident Obama seine engsten Wirtschaftsberater ausgeschickt,
um die Unternehmenslenker hinter den Kulissen zu bearbeiten und von einem
Besuch in Rußland abzuhalten.
Die Bundesregierung gibt
sich indes bedeckt. "Wir geben keine Empfehlungen ab zum St. Petersburger
Forum", sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums auf Anfrage von
Spiegel Online.
"Business as usual
geht gar nicht"
Zuletzt waren
SPD-Altkanzler Gerhard Schröder und der außenpolitische Sprecher der CDU
Philipp Mißfelder ins Kreuzfeuer geraten, als sie zu einem Geburtstagsempfang für
Schröder mit Putin nach Rußland reisten. Zuvor hatte bereits
Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser Ende März mit einem Besuch bei Putin für
Wirbel gesorgt. Kaeser hat Sankt Petersburg gerade abgesagt - wie auch
Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen, offiziell wegen anderer Verpflichtungen.
Allerdings steht Siemens-Industrievorstand Siegfried Russwurm nach wie vor auf
der Teilnehmerliste. Eine Entscheidung über seine Anreise werde in den nächsten
Tagen getroffen, sagte ein Firmensprecher.
"Business as usual
geht für die Konferenzteilnehmer gar nicht", sagt Franziska Brantner,
Außenexpertin der Grünen im Bundestag, zu SPIEGEL ONLINE. "Wenn sie
dahinreisen, müssen sie das Podium nutzen: ein Zeichen setzen und öffentliche
Kritik an Putins Politik üben." Schließlich nehmen die deutschen Manager
in St. Petersburg an einer Reihe von Diskussionsrunden teil. Brantner:
"Die Vertreter der Energieindustrie sollen darlegen, wie sie die
Ankündigung der Kanzlerin umsetzen wollen, von russischen Gasimporten
unabhängiger zu werden."
So weit wird es kaum
kommen. Reisen doch gerade diejenige Topmanager nach St. Petersburg, deren
Konzerne in Rußland besonders viel Geld verdienen. "Unser CEO nimmt teil,
weil wir ein großes Rußland-Geschäft haben", sagt ein E.on-Sprecher frei
heraus. E.on importiert nicht nur jährlich Erdgas für mehrere Milliarden Euro -
sondern ist auch größter ausländische Stromversorger in Rußland. Für Metro ist
das Land der zweitgrößte Absatzmarkt und laut CEO Koch die
"Ertragsperle" des Konzerns. Bis zum Ausbruch der Ukraine-Krise
plante der deutsche Handelsriese sogar den Börsengang des Rußland-Geschäfts.
Die BASF-Tochter Wintershall hat mit Gazprom ein Partnerschaftsabkommen
geschlossen und beutet gemeinsam mit dem russischen Gasmonopolisten Felder in
Sibirien aus. Und Daimler montiert gemeinsam mit dem russischen Partner Kamaz
vor Ort Lastwagen der Marken Mercedes-Benz und Fuso. Sie alle haben großes
Interesse, sich Putins Gunst zu erhalten.
Der Kreml-Chef kommt
natürlich auch zu seinem Lieblingsevent. Laut einer Sprecherin des Forums wird
er dort am Freitag seine große Rede halten. Danach werden ihm die deutschen
Topmanager wohl kräftig applaudieren müssen.
Claus Hecking